Warum ich dem Haushalt des Innenministeriums nicht zugestimmt habe

Beim Einzelplan des Innenministeriums habe ich mich enthalten, da in diesem große Summen für das von Innenminister Stübgen geplante, sogenannte „Behördenzentrum“ vorgesehen sind.

Dazu möchte ich klarstellen, dass Bündnis 90/Die Grünen und ich Abschiebungen grundsätzlich kritisch sehen. Menschen verlassen nicht ohne Grund ihre Heimat. Von der politischen Rechten wird oft behauptet, mit einer humanen Migrations- und Flüchtlingspolitik würden weitere Fluchtbewegungen ausgelöst. Stattdessen bräuchte man eine abschreckende Politik, damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben. Dies beruht auf der Theorie der Pull-Faktoren, die als überholt gilt.[1]

Ich finde, dass wir Abschiebungen allein schon aus moralischen Gründen ablehnen sollten. Aber selbst aus wirtschaftlicher Perspektive sind sie m.E. nicht sinnvoll. Gerade in Brandenburg stehen wir vor immensen demografischen Herausforderungen. In vielen Regionen werden Schulen und Kindergärten geschlossen, überall fehlen Arbeitskräfte. Statt Menschen abzuschieben, müssten wir m.E. das Gegenteil tun und Menschen aus Flüchtlingslagern nach Deutschland holen, damit sie hier zum Beispiel Busfahrer*innen oder Ärzt*innen werden oder Solarzellen auf Dächer installieren oder Genehmigungsverfahren für Windräder durchführen können. Im Übrigen würde ich auch Straftäter*innen nicht abschieben, weil ich hohes Vertrauen in unser Justizsystem habe, welches sich auch diesen Menschen widmen kann, statt sie in gefährliche Umstände abzuschieben.

Dies gesagt, finden meine Fraktion und ich allerdings auch, dass beim berechtigten Konflikt um das sogenannte „Behördenzentrum“, vieles vermengt wird, was nicht miteinander zusammenhängt. Statt einer rein ideologischen Auseinandersetzung, sollte man bei der eigentlichen Problemstellung bleiben. So ist dort eben kein Abschiebegefängnis geplant – dies hatten wir im Koalitionsvertrag explizit ausgeschlossen – sondern sind Plätze für ein Ausreisegewahrsam Teil der Planungen. Das Zentrum wird auch keine Änderungen an der geltenden Rechtslage herbeiführen. Die Asyl- und Migrationspolitik wird auf Bundesebene entschieden. Da die vorhandenen Kapazitäten bisher bei weitem nicht ausgeschöpft werden, wird das Behördenzentrum voraussichtlich auch nichts maßgeblich an der Anzahl der durchgeführten Abschiebungen verändern. Es schafft allerdings Kapazitäten, die bei einer anderen bundesdeutschen Politik durchaus die Anzahl der Abschiebungen erhöhen könnte. So ist die bisherige Planung im Vergleich zu den bislang vorliegenden Kapazitäten für Ausreisegewahrsam, deutlich überdimensioniert. Es würde mehr Gewahrsamsplätze geben, in denen abzuschiebende Menschen bis zu 10 Tage lang festgehalten werden können.[2]

Man stelle sich eine Bundesregierung unter Merz&Söder vor, die gerne Begriffe wie „Asyltouristen“ oder „Sozialtouristen“ nutzen. Dies sogar im Zusammenhang mit den aus der Ukraine Geflüchteten, denen sie doch sonst entgegen Geflüchteter aus nicht europäischen Ländern grundsätzlich eine Hilfsbedürftigkeit zuschreiben.[3],[4] Der CSU-Innenminister Seehofer nannte die Migration gar die „Mutter aller Probleme“.[5]

Wie wahrscheinlich eine bundesdeutsche Regierungsmehrheit ist, die solche Möglichkeiten ergreift, darüber lässt sich streiten. Die Regierungen in Schweden, Italien u.a., in denen Schwesterparteien von CDU und FDP mit Rechtsextremist*innen zusammenarbeiten, und die Wahl Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP verheißen nichts Gutes.

Aber unabhängig, wie man zu Abschiebungen steht: selbst für Menschen, die eine rigide Abschiebepolitik befürworten, bestehen viele weitere Gründe, dieses sogenannte „Behördenzentrum“ abzulehnen. Dessen gesamte Historie ist von Absurdität und Intransparenz geprägt.

Dies beginnt bereits mit der Unterzeichnung ein Grundsatzabkommen durch den brandenburgischen Innenminister Stübgen mit dem damaligen Bundesinnenminister Seehofer. Dies geschah zum Ende Seehofers Amtszeit – bereits nach der Bundestagswahl 2019! Obwohl abgewählte Regierungen eigentlich keine weitreichenden Entscheidungen mehr treffen sollen, gehen mit diesem Grundsatzabkommen weitreichende Verpflichtungen einher.[6]

Das sogenannte „Behördenzentrum“ soll ferner durch den Investor Jürgen B. Harder, der den Auftrag für dieses Projekt ohne eine öffentliche Ausschreibung erhielt, für voraussichtlich 155 Millionen Euro erbaut werden und dann anschließend für mindestens 30 Jahre vom Land Brandenburg für 470 Millionen Euro gemietet werden. Der genannte Investor ist jedoch wegen eines Schmiergeldskandales vorbestraft und wird wohl mit diesem Projekt rund hunderte Millionen Euro Gewinn machen. [7]

Selbst Innenminister Stübgen hält ihn lediglich für zureichend vertrauenswürdig. Der Grund, warum man diesem Investor trotz der genannten Vorgeschichte vertraue, war die Lage und Relevanz der nötigen Grundstücke gewesen, die nur der Investor besitzen würde.[8] Warum jedoch der Investor und nicht das Land selbst zu Beginn der Planung des Projektes die betreffenden Grundstücke bzw. Kaufoptionen zu diesen erwarb, bleibt fraglich.[9] Ebenso, wie genau es zu der ausweichlichen Zusammenarbeit mit Harder kam.[10] Eine eigentlich vorgesehene Beteiligung der BLB oder eine Marktanalyse, ob auch andere Grundstücke in Frage kommen, wurden anscheinend nicht durchgeführt.

Wenn das Projekt wie vorgesehen, realisiert werden würde, wäre der Landeshaushalt also über Jahrzehnte mit mehreren Hundert Millionen Euro belastet, während aktuell doch an jeder Stelle das Geld fehlt. Wie hilfreich wäre es mit diesen Millionen Euro die Bildung, den Ausbau von Erneuerbaren, den Radverkehr oder auch die Migrationssozialarbeit zu fördern oder schlicht den Menschen unter die Arme zu greifen, die besonders unter den gestiegenen Energiepreisen leiden. Stattdessen möchte Minister Stübgen das Land Brandenburg mit einem unsinnigen Projekt über Jahrzehnte abhängig von einem vorbestraften Investor machen. Die genannten Missstände konnten bis heute vom Innenministerium nicht maßgeblich aufgeklärt werden.

Aufgrund all dieser Fakten kann ich dem Einzelhaushalt des Innenministeriums, nicht zustimmen. Die Mittel sind zwar mit einem Sperrvermerk versehen, können aber durch die Finanzministerin allein freigegeben werden. Daher habe ich mich bei der Abstimmung zum Einzelhaushalt enthalten.

Dem Gesamthaushalt stimme ich zu. Während ich beim Einzelplan des Innenministeriums das sogenannte „Behördenzentrum“ mit anderen Haushaltstiteln aus dem Einzelplan des Innenministeriums abwägen muss, muss ich das beim Gesamthaushalt mit allen Haushaltstiteln tun. Damit ist das am Ende auch eine Abstimmung über die Koalition insgesamt. Auch wenn uns das sogenannte „Behördenzentrum“ schwer im Magen liegt, wiegt die vorgesehenen Mittel im Haushalt für mich nicht schwer genug, die Koalition zu beenden, da damit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Als gesamte Fraktion und Bündnisgrüne Partei stehen wir dem sogenannten „Behördenzentrum“ weiterhin ablehnend gegenüber. Wir kämpfen an verschiedenen Stellen weiter dagegen an und erstreiten weiter Fortschritte für ein ökologisches, soziales und weltoffenes Brandenburg.


[1] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/migration-push-pull-faktoren-101.html

[2] https://www.asyl.net/themen/aufenthaltsbeendigung/abschiebungshaft-und-ingewahrsamnahme/ausreisegewahrsam

[3] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/merz-sozialtourismus-101.html

[4] https://www.welt.de/regionales/bayern/article178969630/Asyltourismus-Soeder-verteidigt-Begriff.html

[5] https://www.welt.de/politik/deutschland/article181434586/Seehofer-nach-Chemnitz-Mutter-aller-Probleme-ist-die-Migration.html

[6] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/08/berlin-brandenburg-flughafen-ber-investor-stuebgen.html

[7] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/11/ausreisezentrum-flughafen-ber-migranten-gruene.html

[8] https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2022/05/ber-behoerde-zentrum-streit-investor-harder-partner-hallenbauer.html

[9] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/08/brandenburg-ber-schoenefeld-abschiebezentrum-investor.html

[10] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/11/petition-gegen-abschiebezentrum-flughafen-ber-berlin-brandenburg.html